Wie beurteilen MICE Verbände den EU Austritt von Großbritannien?

Der Brexit lässt sich wohl kaum noch aufhalten. Am 29. März 2019 will Großbritannien die EU verlassen – möglicherweise ohne detaillierte Vereinbarungen als sogenannter No-Deal Brexit. Wir wollten im Rahmen einer Umfrage erfahren, wie der Brexit aus Sicht verschiedener Verbände in der MICE Branche beurteilt wird und ob es Handlungsempfehlungen an die Mitglieder gibt. Dafür haben wir zwei Fragen an die Verbände gerichtet: Welche Auswirkungen durch den Brexit erwarten sie für die MICE Branche und ihr Business? Welche Vorgehensweise empfehlen sie den Mitgliedern?

Antworten kamen von IFES, dem Eventcatererverband LECA, dem EVVC und dem AUMA. Der Famab hat uns ein Positionspapier zur Verfügung gestellt, unterschrieben von Jörn Huber, Vorstandsvorsitzender des Famab, und Geschäftsführer Jan Kalbfleisch. Nachfolgend die Aussagen.

Georg Broich, Präsident der LECA: „Wir verspüren in der Branche jetzt schon eine – zum Glück nur leichte – Zurückhaltung, was Veranstaltungen im zweiten Halbjahr betrifft. Ich befürchte, dass ein harter Brexit unsere Branche hart treffen wird. Denn wir wissen alle, dass die Einschnitte in den Marketingbudgets zuerst stattfinden. Ich weiß, dass einige Kollegen in ihren Vorbetrachtungen für 2019 vorsichtig waren. Dennoch hoffen wir, dass die positive Stimmung anhalten wird.

Ich persönlich kann nur empfehlen, so vorzugehen, wie wir es halten: Im Tagesgeschäft agieren wir weiter wie gewohnt, dennoch überlegen wir bei größeren oder langfristigen Investitionen, ob man diese heute oder morgen treffen muss. Sicherlich sind wir durch die 2008er/2009er Krise weitaus empfindlicher und aufmerksamer geworden. Aus diesem Grunde würden wir mit Sicherheit nicht panisch reagieren. Aber wenn es gelten würde, Entscheidungen zu treffen, würden wir dies schnell und konsequent tun.“

Dr. Peter Neven, Hauptgeschäftsführer des AUMA – Verband der deutschen Messewirtschaft: „Wir bedauern ausdrücklich den Austritt Großbritanniens aus der EU, denn es ist ein wesentlicher Teil der eng verflochtenen EU-Wirtschaft.
Zu den Auswirkungen auf die Messewirtschaft: Es ist nicht auszuschließen, dass sich kurzfristig die Zahl der britischen Aussteller und Besucher in Deutschland verringert, vor allem aufgrund von Unsicherheiten in der ersten Phase. Mittelfristig rechnen wir nicht mit nennenswert niedrigeren Beteiligungen aus Großbritannien, denn die Unternehmen wollen ihre Handelsbeziehungen aufrechterhalten, auch wenn die Rahmenbedingungen schwieriger werden. Es mag sein, dass weniger Produkte und Leistungen gekauft und verkauft werden. Messen werden aber vielleicht sogar stärker ein Platz für Verhandlungen über Preise und andere Konditionen werden.

Wir können Messeveranstaltern, Ausstellern und Besuchern nur raten, die Geschäftsbeziehungen zur britischen Wirtschaft weiter intensiv zu pflegen. Es gibt ein Leben nach dem Brexit. Im Übrigen kommen die Hälfte der ausländischen Aussteller und 40 Prozent der ausländischen Besucher auf deutschen Messen nicht aus der EU.“

Timo Feuerbach, EVVC Geschäftsführer: „Die Auswirkungen des Brexit sind noch nicht wirklich vorhersehbar, weil keiner im Moment einschätzen kann, wie sich das Reiseverhalten verändert. Sollte es tatsächlich eines Tages zur Visumpflicht kommen und die Abfertigung an den Grenzen mit erheblichem zeitlichem Aufwand verbunden sein, wird sich dies auch auf Veranstaltungen mit internationalem Publikum auswirken.

Unter Umständen führt dies zu weniger Veranstaltungs-Besuchern aus Großbritannien in der EU und anders herum, was wiederum ein Argument und ein Schub für hybride Veranstaltungen bedeuten könnte – persönlicher Austausch ohne physische persönliche

Auf der anderen Seite könnte die EU natürlich auch profitieren, weil Kongress-Veranstalter die Hürden, die der Brexit mit sich bringen, ihren Kunden nicht zumuten möchten und somit ihre Tagungen und Kongresse auf den Kontinent verlegen.

Die Frage nach der Vorgehensweise für die Mitglieder ist pauschal schwierig zu beantworten. Grundsätzlich gilt es für uns alle, unsere Hausaufgaben zu erledigen und zu prüfen, ob und welche Geschäftsbeziehungen wir nach Großbritannien haben und welche Verbindungen es hier gibt, die wir beobachten sollten.

In Sachen Akquise kann es sicherlich nicht schaden, die Augen nach möglichem Zusatzgeschäft aus Großbritannien offen zu halten, zum Beispiel nach internationalen Veranstaltungen, denen die britische Insel als Veranstaltungsort zu unsicher wird.“

Uta Goretzky, IFES Executive Director: „Wir erwarten, wie in allen disruptiven Situationen, erst einmal einen Rückgang im Messegeschäft. Dieser wird sich in beide Richtungen auswirken. Der englische Verband ESSA, mit dem wir zu der Fragestellung in regem Austausch stehen, erwartet einen, zumindest temporären, Rückgang ausländischer Aussteller. Gleichzeitig zeigen sich britische Aussteller verhalten bei der Buchung von Beteiligungen in der EU. Das hat dann natürlich auch Auswirkungen auf alle Messe-Dienstleister. Die Hoffnung bleibt, dass es bald eine verlässliche Ausgestaltung des Brexit gibt, damit Unternehmen wieder strategisch planen können. Das betrifft auch Messeteilnahmen, denn die Messewirtschaft ist schließlich nicht abgekoppelt von globalen wirtschaftlichen Entwicklungen.

Der IFES ist das ‚Global Collaboration Network‘. Unser Rat war bereits vor der Brexit-Diskussion: Die Zusammenarbeit mit lokalen Anbietern statt der ‚Kinderlandverschickung‘ von Material und Mitarbeitern. Das war bisher und ist auch jetzt in den meisten Fällen ökonomisch, aber auf jeden Fall ökologisch sinnvoll. Es verhindert aber vor allem Probleme mit Zollformalitäten, Arbeitsgenehmigungen und Mitarbeiterentsendungsregularien. Da alle IFES Mitglieder dem Code of Conduct unterliegen, ist der richtige Partner im Netzwerk schnell gefunden.“

 

Positionspapier des Famab zum Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union

„Die Mitglieder des Famab fühlen sich insgesamt äußerst schlecht über den aktuellen Status der Austrittsverhandlungen sowie den drohenden Konsequenzen informiert. Dies ist umso kritischer, da der britische Markt einer der größten innerhalb Europas ist und es enge Verflechtungen zwischen der englischen und deutschen Live-Kommunikationsbranche gibt. Nach Einschätzung der Famab Mitglieder könnte es zu nennenswerten Umsatzrückgängen kommen.

Der Famab repräsentiert als Deutschlands größter Kommunikationsverband für integrierte Markenerlebnisse (Messebau, Live-Kommunikation, Design & Architektur, Catering und Leistungspartner) 250 Mitgliedsunternehmen mit über 10.000 Beschäftigten. Seine Mitglieder konzeptionieren, planen und realisieren im Auftrag ihrer Kunden weltweit Messen, Events und andere Kommunikationsmaßnahmen nach höchsten Qualitätsmaßstäben.

Eine interne Umfrage des Verbands ergab, dass ein erheblicher Teil der Famab Mitglieder aktive Geschäftsbeziehungen mit England unterhalten. Nahezu zwei Drittel der Mitglieder führen für internationale Kunden Projekte in England durch. Fast ebenso bedeutsam sind Kunden mit Sitz in Großbritannien. Fast 50 Prozent der Mitglieder führen für englische Kunden Projekte innerhalb Deutschlands durch. Immerhin noch ein Viertel der Mitglieder erhält Aufträge von englischen Kunden für den englischen Markt.

Vor allem anderen befürchten die Mitglieder des Famab neue Hürden bei der Abwicklung internationaler Projekte. Der Ausstieg Großbritanniens aus der EU kann erhebliche negative Folgen auf die Möglichkeiten der Entsendung von Mitarbeitern aus Deutschland haben. Insgesamt kann die komplexere Abwicklung zu einem massiv erhöhten Aufwand führen. Dies würde Dienstleister aus Deutschland für englische Kunden erheblich weniger attraktiv machen.

Die überwiegende Mehrheit der Famab Mitglieder rechnet mit rückläufigen Umsätzen auf oder aus dem englischen Markt. Dabei werden insbesondere Projekte auf englischem Boden als bedroht angesehen. Nur wenige Mitglieder sehen lediglich geringe Auswirkungen durch den Austritt.

Die Folgen aus dem Brexit sind derzeit schwer abzuschätzen. Die Branche rechnet mit negativen Folgen. Gerade langfristige Projekte sind auf Basis der derzeitigen Informationslage kaum anzugehen. Der Famb fordert schnelle Verhandlungsergebnisse, wirtschaftsnahe Lösungen und deutlich bessere Informationen.“

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